DIGIMEDI

Guten Morgen, Herr Schmidt, wie geht es Ihrem Bein?» – «Erstens komme ich wegen meiner Niere, und zweitens bin ich nicht Herr Schmidt, sondern die Frau Schmitz.» An Szenen wie diese hat man sich im Gesundheitswesen (leider!) fast schon gewöhnt – mit oftmals fatalen Folgen für alle Beteiligten. Während bei modernen Smartphones die automatische Gesichtserkennung heute zum Standard gehört, hinkt die medizinische Versorgung in digitaler Hinsicht den Möglichkeiten immer noch weit hinterher. Die Gründe dafür dürften nicht zuletzt falsch verstandene Ängste sein. Rein technisch etwa wäre es durchaus möglich, einen implantierten Defibrillator auch zum kabellosen Laden eines iPhones 8 zu nutzen. Doch die Furcht, russische Hacker könnten sich aus der Ferne des Herzschrittmachers bemächtigen und während des Ladevorgangs sensible Daten aus dem Handy herauslesen, um den Facebook-Account zu manipulieren, ist offenbar grösser als der Reiz des Praktischen.

Dennoch ist die medizinische Digitalisierung nicht nur Zukunftsmusik: Sogenannte «Wearables» (Fitness-Armbänder) helfen schon jetzt, die im Krankenversicherungswesen immanenten Fehlanreize wenn schon nicht vollständig zu beseitigen, so doch wenigstens abzumildern. Nicht zu Unrecht nämlich fragen sich heute viele Versicherte, wozu sie überhaupt gesund sind, wenn die Kassen doch nur für Krankheiten zahlen. Und auch im Abrechnungswesen könnte eine durchgängige Digitalisierung aller Patientendaten für mehr Transparenz im Sinne echter Kostenwahrheit sorgen. Die Abrechnung der Appendektomie eines in Wirklichkeit gar nicht mehr vorhandenen Wurmfortsatzes als «Leistung in Abwesenheit» gehörte dann zum Beispiel endgültig der Vergangenheit an.

Peter Schneider

Peter Schneider studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie. Er lebt in Zürich und arbeitet dort als Psychoanalytiker. Von 2004 bis 2014 war er Privatdozent für Psychoanalyse sowie von 2014 bis 2017 Professor für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Universität Bremen. Seit 2014 ist er PD für klinische Psychologie an der Universität Zürich und seit 2017 Lecturer for History and Epistemology of Psychoanalysis an der International Psychoanalytic University in Berlin. Ausserdem betätigt er sich seit vielen Jahren als Satiriker (SRF3 und Sonntagszeitung) und Kolumnist (Tagesanzeiger und Bund). Er ist Autor zahlreicher Bücher

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